Unfälle im toten Winkel – Studie zu Unfalltypen
Schon eine Führerschein-Frage lautet „Warum müssen Sie vor dem Rechtsabbiegen warten?“
Die richtige Antwort:
Wegen des Fußgängers und wegen des Radfahrers, die sich im toten Winkel befinden können.
Jährlich sterben in Deutschland rund 140 Fahrrad-Fahrer oder Fußgänger, weil sie von einem rechtsabbiegenden Lastwagen erfasst und überrollt werden.
2019 gab es laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur 9906 Unfälle mit Personenschaden beim Rechtsabbiegen. Unfall-Ursache zumeist: Toter Winkel.
Grundsätzlich unterscheiden wir drei Situationen und Unfalltypen beim Abbiegen:
Unfalltyp 243
- Der Radfahrer fährt auf einem
abgetrennten Radweg - Häufig verdeckt durch parkende Autos oder Grünanlagen
- Der Abstand zum Lkw beträgt
2 bis 5 Meter - 70% der untersuchten
Todesfälle
Unfalltyp 232
- Der Radfahrer fährt auf der Fahrbahn direkt neben dem Lkw
- Der Abstand zum Lkw beträgt zwischen 0 bis 2 Meter
- 20% der untersuchten Todesfälle
Unfalltyp 244
- Der Radfahrer kommt dem Fahrzeug entgegen
- Die Wege kreuzen sich beim Abbiegen des Fahrzeugs
- 0% der untersuchten Todesfälle
Die Schuldfrage
So lange, wie es das Auto gibt, haben Ingenieure und Fahrzeugtechniker auch mit dem „Toten Winkel“ zu kämpfen.
Der kleine, aber bedeutsame Bereich seitlich eines Fahrzeuges, egal ob Auto oder Lastwagen, ist für die Fahrer nicht einsehbar.
Daher ist LKW-Fahrern, die aus ihrem Führerhaus heraus einfach keinen kompletten Überblick haben, bei solchen Unfällen häufig gar keine direkte Schuld zuzusprechen. Trotzdem werden unfallbeteiligte Lastwagen-Fahrer häufig aufgrund von Schuldgefühlen und eines Traumas berufsunfähig.
Andere Verkehrsteilnehmer sollten beim Überqueren einer Straße die eingeschränkte Sicht eines LKW Fahrers bedenken und ggf. auf ihren Vorrang verzichten, wenn sie merken, dass sie sich im toten Winkel befinden und nicht gesehen wurden.
LKW Fahrer müssen besonders vorsichtig abbiegen – Fahrer, die nicht genug Sorgfalt beim Abbiegen walten lassen, können im Falle eines tödlichen Unfalls zu hohen Geldstrafen verurteilt werden. (siehe https://www.sueddeutsche.de/panorama/prozesse-berlin-toedlicher-abbiegeunfall-lkw-fahrer-zu-geldstrafe-verurteilt-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210705-99-269571)
Ab einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen gilt dies als Vorstrafe, die auch im polizeilichen Führungszeugnis erscheint.
Was LKW Fahrer*innen tun können:
- LKW-Spiegel richtig einstellen und beim Abbiegen gewissenhaft benutzen. Die Dekra hat hierfür einen Ratgeber erstellt: https://www.verivox.de/kfz-versicherung/ratgeber/aussenspiegel-rueckspiegel-richtig-einstellen-so-funktionierts-1000867/
- Langsam abbiegen: Fahrzeuge, die über 3,5 Tonnen wiegen, dürfen nur in Schrittgeschwindigkeit rechts abbiegen. Bei Missachtung droht ein Bußgeld in Höhe von 70 Euro und ein Punkt in Flensburg.
- Abbiegeassistent nachrüsten
Abbiegeassistenten können den Fahrer beim Abbiegen unterstützen und so Leben retten.
Befindet sich beim Abbiegen eine Person in jenem Bereich, der für den Fahrer nicht einsichtbar ist, ertönt ein lautes Warnsignal. Bereits zuvor wird der LKW-Fahrer im Kombiinstrument des Lastwagens durch eine Leuchte darauf aufmerksam gemacht, dass sich jemand im Toten Winkel befindet. Der Fahrer kann bremsen und das Unglück verhindern.
60% der Abbiegeunfälle könnten, nach der Berechnung des UDV, mit Abbiegeassistenten, die frühzeitig warnen, vermieden werden.
Besonders schwierig ist die Situation jedoch, wenn sich ein Radfahrer hinter parkenden Autos befindet und sich einer Einmündung nähert (Unfalltyp 243). Hier können viele Abbiegeassistenzsysteme den Fahrrad-Fahrer nicht erkennen, weil er von den Autos verdeckt wird. Eine Warnung bleibt aus und wenn sich der LKW Fahrer hier auf die Technik verlässt, kommt es womöglich zum Unfall. Die Erkennung von Verkehrsteilnehmern „in der zweiten Reihe“ kann momentan nur das System von LUIS Technology leisten.
(Siehe auch Abbiegeassistenten-Vergleich)
QUELLE: UDV, Unfallforschung der Versicherungen, 16.11.2016; BG Verkehr, Kamera-Monitor-Systeme (KMS) zur Vermeidung von Abbiegeunfällen, 14.9.2016; Abbiege-Assistenzsystem für Lkw – Grundlagen eines Testverfahrens B. Schreck, P. Seiniger; BASt-Bericht F 104, 2015; neben den o.g. Unfalltypen wurden 6 Verkehrsteilnehmer mit Lkw ≥7,5t getötet (2 mit <7,5t) und wurden 23 Verkehrsteilnehmer mit Lkw ≥7,5t schwer verletzt (72 mit <7,5t); Zeitraum/ Ort der BASt-Studie: 2
Aktuelles
- Förderperiode bis zum 29.11. verlängert – schon über 23.000 Abbiegeassistenten gefördert 7. Oktober 2024
- „Toter Winkel“ Verkehrsaktionen für Kinder 4. Oktober 2024
- Neue Förderung für Abbiegeassistenzsysteme ab 01.07.24 2. Juli 2024
- Zeugen gesucht nach LKW-Abbiegeunfall in Hamburg Kleiner Grasbrook 18. Juni 2024
- UN-Regelung Nr. 151 gilt ab 07.07.2024 11. Juni 2024
- E-Scooter Fahrerin nach Abbiegeunfall mit LKW verstorben 14. Mai 2024
- Antragsstart Förderprogramm AAS 2024 24. April 2024
- Antragsstart Förderperiode 2024 6. Februar 2024
- Kommt das Abschaltverbot für Abbiegeassistenten? 22. Januar 2024